Menu
Menü
X

Ein Gespräch zwischen Pfarrerin Astrid Bender und Pfarrerin Elke Jung

"Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn"

Pfarrerin Astrid Bender(AB) arbeitet seit 1.1.2023 mit halber Stelle zusätzlich zu ihrer Arbeit in der Bethlehemgemeinde in der Emmausgemeinde in Eschersheim, um die Gemeinde in Zeiten des Übergangs zu unterstützen. Pfarrerin Elke Jung (EJ) wird dort Ende März in Ruhestand gehen. Wir nehmen diese Veränderungen im Nachbarschaftsraum zum Anlass für ein „Vier zu Vier“ Gespräch. Beide Gesprächspartnerinnen stellen der jeweils anderen vier Fragen.

AB: Wenn Du auf Deine fast 32 Jahre in der Emmausgemeinde zurückblickst - an welche Erfahrungen oder Projekte erinnerst Du Dich besonders gern, welche Erinnerungen wärmen noch Dein Herz? Natürlich ist klar, dass Du nur wenige Beispiele aus der langen Zeit nennen kannst.

EJ: - Da denke ich zuerst an Gottesdienste, die wir gemeinsam gestaltet und gefeiert haben, wie zum Beispiel den über Nelson Mandela mit den Konfirmand:innen und Mitgliedern der ACAT-Gruppe, den über Kirchenasyl, Segnungs- und Salbungsgottesdienste, Ostermorgenfeiern mit Feuer, Taufen, Abendmahl und Osterfrühstück, eine Musikalische Vesper, die den Kirchenraum ganz neu erschloss. Ich könnte noch viel nennen, was mein Herz erwärmt, von dem ich zehre und was mir sehr viel Freude gemacht hat:

  • Dass wir uns – nach langer Vorbereitung, vielen Gesprächen und dem Einholen von Informationen entschieden haben, Kirchenasyl anzubieten, ist – nach meinem Verständnis – gelebtes Christentum in dieser Welt.
  • Dass wir nach einem anstrengenden und teils tränenreichen Prozess drei Häuser aufgegeben haben, um das Gemeindehaus und das Bürogebäude mit dem wunderschönen Kirchplatz bauen zu können.
  • Die Ausstellung mit den Fotos von Rafael Herlich zu den im Rat der Religionen vertretenen Religionen in Frankfurt. - Divercity -

AB Wenn Du die Zeit Deines Beginns mit heute vergleichst? Was hat sich stark verändert?

EJ Im Stadtteil ist viel neu gebaut worden und wird es noch; inhabergeführte Geschäfte sind immer weniger geworden.

In der Gemeinde erlebe ich den massiven Abbau von Personal, von zwei Pfarrstellen und einer Pfarrvikarsstelle 1991 hin zu einer Pfarrstelle Ende 2024. Vom hauptamtlichen Kirchenmusiker zu nebenamtlicher Organistin und nebenamtlichem Chorleiter; im Büro nur noch eine halbe Stelle; von zwei Küstern/Hausmeistern, zu demnächst einer Stundenkraft; gar keine Gemeindepädagogenstelle mehr.

Ob der Gottesdienst noch das Zentrum der Gemeinde ist, wie es früher immer postuliert wurde, ist heutzutage in Frage zu stellen.

AB Was wünschst Du der Gemeinde für die Zukunft?

EJ  

  • Dass so schnell wie möglich eine mir nachfolgende Pfarrperson da ist.
  • dass der Prozess „ekhn 2030“ positiv von der und für die Gemeinde gestaltet wird.
  • dass die Gemeinden im Nachbarschaftsraum (wie auch immer der sich gestalten wird) gut und ertragreich zusammenarbeiten und zusammenwachsen. Und
  • dass sich das ohne Reibungsverluste und den Verlust von Gemeindegliedern vollzieht, sondern eher neue Menschen motiviert sich ehren-amtlich für Kirche/Gemeinde zu engagieren.

AB Worauf freust Du Dich im Ruhestand?

EJ: 

  • auf Zeit, die nicht fremdbestimmt ist, sondern die ich frei gestalten kann,
  • auf die dann besser und intensiver zu lebenden Freundschaften/Beziehungen
  • auf die Nutzung der kulturellen Möglichkeiten Frankfurts
  • auf mein ehrenamtliches Engagement

 

Elke Jung: Wenn Du auf deine ersten Monate in Bethlehem zurückblickst, was hat Freude gemacht? Was weniger?

Astrid Bender: Als ich kam, war nach zwei Jahren Corona das Gemeindeleben noch ziemlich heruntergefahren. Es war am Anfang gar nicht so einfach, die Gemeinde kennenzulernen, weil vieles noch nicht stattfinden konnte und man sich noch mit Abstand und Maske meist nur kurz nach dem Gottesdienst freundlich grüßte. Die Freude, sich dann wieder treffen zu können, an Gemeindenachmittagen, zum Weihnachtsbazar oder zum Kirchcafe war den Menschen anzusehen. An diesen Begegnungen und Besuchen, die für mich ja auch Erstkontakte waren, hatte auch ich Freude. Erst wenn man die Gemende kennenlernt, kann man ja ein Gefühl dafür bekommen, wie man die Menschen ansprechen kann, zu wem man eigentlich predigt. Wir hatten erst Sorge, dass das Gemeindeleben nun in diesem Winter wieder heruntergefahren wird durch die Energiesparmaßnamen und kalte Räume. Aber das ist nicht passiert, wir dürfen unsere Kirche, die zugleich Versammlungs- und Begegnungsraum ist, auch moderat heizen. Dafür bin ich dankbar. Freude machen mir auch Gottesdienste in unterschiedlichen Formen(siehe unten).

Was weniger?

Die Herausforderungen durch den Prozess EKHN 2030 sind groß. Ich hoffe sehr, dass wir im Kirchenvorstand die nötigen Schritt konstruktiv gehen und sie aktiv gestalten statt dem Gefühl nachzugeben, alles nur passiv ertragen zu müssen.

EJ Warum hast du dich entschieden, ab dem 1.1.23 mit einer halben Stelle auch noch in der Emmausgemeinde zu arbeiten?

AB Da ich in der Bethlehemgemeinde nur mit halber Stelle arbeite, fand ich es naheliegend, mit meinen noch freien Kapazitäten die Nachbargemeinde in diesen Zeiten des Übergangs pfarramtlich zu unterstützen, nachdem Deine Kollegin Christiane Rauch die Gemeinde verlassen hat und Du Elke, in Ruhestand gehen wirst. Ich hoffe, dass wir diese Zeit gut gestalten können, bis die ganze Pfarrstelle wieder besetzt wird. Zudem werden wir Hauptamtliche in den nächsten Jahren im Nachbarschaftsraum ohnehin enger zusammenarbeiten, da könnte ja jetzt schon eine Chance darin liegen, in zwei Gemeinden mit unterschiedlichen Kulturen zu arbeiten und vielleicht voneinander zu lernen.

 

EJ Was machst du in deiner pfarramtlichen Tätigkeit am liebsten? Auf was würdest du gerne verzichten?

AB Ich feiere gerne Gottesdienste in unterschiedlichen Formen. Immer noch ist mir der ganz traditionelle Sonntagmorgengottesdienst sehr lieb. Es ist schön, wenn viele in die Liturgie einstimmen, das ist eine wechselseitige vertraute Selbstverständlichkeit, die Heimat bietet. Wir sollten sie nicht zu leicht aufs Spiel setzen zugunsten anderer Formate. Aber ich feiere auch ergänzend gerne Gottesdienste in anderen Formen. Im Laufe meines Berufslebens habe ich da schon viel erlebt, gestaltet oder mitgestaltet: OpenAir Gottesdienste mitten in der Stadt, Friedensgebete mit anderen Religionen, und immer wieder ganz viel Ökumenische Gottesdienste, wo immer es möglich war und ist. Es ist meine feste Überzeugung, dass wir Christen und Christinnen ein gemeinsames Zeugnis abgeben sollten und das Gemeinsame statt dem Trennenden suchen sollten. An der Basis funktioniert das immer gut, das ist meine bisherige jahrzehntelange Erfahrung. So öffnen wir in Bethlehem die „Offene Alte Kirche“ wöchentlich gemeinsam mit Sancta Familia, deren Team hier eine große Verantwortung übernimmt. Mit dem Pastoralreferenten Oliver Karkosch ist vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich, die viel Spaß macht, wie ich sie jetzt schon im Segenszelt bei der Einschulung an der Astrid-Lindgren-Schule erleben durfte.

Der erste Taizégottesdienst in Bethlehem nach längerer Zeit hat mir viel Freude gemacht. Die Idee dazu hatte meine Kollegin Susanne Domnick schon länger, ich konnte mich da gut einfinden, weil mich die Ökumenische Kommunität Taizé in Südfrankreich in meiner Studienzeit auf der Suche nach überzeugender christlicher Spiritualität sehr geprägt hat.

Gerne begleite ich Menschen in unterschiedlichsten Lebenssituationen, ob ein Kind geboren wird oder ein naher Mensch stirbt. Ich erlebe, dass eine einfühlsame, tröstende Predigt trauernden Menschen viel geben kann und die christliche Botschaft über den Tod hinaus Trost entfalten kann. Ich mache alle Kernaufgaben einer Pfarrerin gerne, wegen denen ich schließlich diesen Beruf gewählt habe.

EJ Auf was würdest Du gerne verzichten?

AB Verwaltung und Gremien und lange Sitzungen gehören nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, sind aber notwendig.

EJ Gibt es ein Bibelwort, das deine Kraftquelle für den Alltag ist? Oder sind es mehrere - je nach Situation?

Da gibt es natürlich einige - je nach Situation. Eines, das mich besonders begleitet, steht im 1. Buch Mose in Kapitel 32. „Ich lasse Dich nicht, du segnest mich denn.“ Da wird Jakob von einem fremden Wesen in der Nacht überfallen. Ein Mann? Ein Dämon, ein Alptraum, ein Engel? Gott selbst? Er nimmt den Kampf auf, er kämpft die ganze Nacht, es geht um sein Leben, er erkennt aber, dass in diesem Kampf Segen liegt. Er kann von diesem Gegenüber erst ablassen, bis er den Segen wirklich empfängt. „Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn.“ Ich empfinde diesen Vers als einen Schlüssel in der Geschichte Gottes mit seinem Volk und auch als einen Schlüsselvers für mich. Als einen lebenslangen Begleiter im Gespräch mit Gott, der mal fremd, mal nah erscheint. Auch als Pfarrerin wird man nie mit ihm fertig. Ich weiß und spüre aber doch, dass ich aus dieser Beziehung, diesem Ringen Segen und Sinn für mein Leben empfange. Und kann hoffentlich anderen etwas davon vermitteln. So sehe ich meinen Beruf, etwas altmodisch gesagt auch meine Berufung.


top